Der Fraktionsvorsitzende Klaus-Dieter Bartel nimmt Stellung
Liebe Leserinnen und Leser,
die Coronavirus-Pandemie hält uns in Atem, verschiebt Prioritäten und lässt uns hinsichtlich der Folgen im Ungewissen. Auch wenn der Virus derzeit alles andere überschattet, möchte ich dennoch die Themen ansprechen, die uns in den letzten Wochen und Monaten beschäftigten.
So wurde in Hilden am 30. Okober der Klimanotstand ausgerufen. Damit gehört Hilden zu den zahlreichen Städten in Deutschland und in der Welt, die dem Kampf gegen den Klimawandel erklärtermaßen oberste Priorität einräumen. Damit verbunden ist noch kein Programm, noch kein Maßnahmenkatalog, jedoch ein Versprechen, eine Selbstverpflichtung. Das es so weit kam, hat hauptsächlich mit 2 nacheinander folgenden Extremsommern und den öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen der „Fridays for Future“ zu tun. Die Jugendlichen schufen nicht nur bei vielen Eltern und Großeltern ein längst überfälliges Bewusstsein für die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel. Was aber folgt aus dem Ausrufen des Klimanotstands?
Zunächst muss für uns unumstößlich klar sein, dass der Klimawandel mit all seinen Konsequenzen Fakt ist und auch ein durchregneter Herbst oder kalter Winter daran nichts ändert. Ebenfalls muss klar sein, dass Versäumnisse beim Klimaschutz, bei der Klimaanpassung unsere Lebensqualität, aber besonders die unserer Nachkommen nachhaltig beeinträchtigen.
Wenn das alles klar ist, dürfen wichtige Maßnahmen nicht unterbleiben, weil sie einen deutlichen Kurswechsel erfordern, Geld kosten und mit z.T. unerfreulichen Konflikten einhergehen.
Die Bereitschaft, die Herausforderung durch den Klimawandel stärker als bisher anzunehmen, war in der zweiten Jahreshälfte 2019 auch in Hilden spürbar gewachsen.
So erarbeitete die Verwaltung im Sommer und Herbst eine umfangreiche „To-Do Liste“, die zwar hier und da ambitionierter, mutiger sein könnte, aber den Eindruck hinterließ, dass der Ernst der Lage erkannt wurde. Jetzt ist es an uns, den politisch Verantwortlichen, neben den bereits gefassten Beschlüssen weitere Ideen aufzugreifen, überfällige Entscheidungen zu treffen und Neubewertungen vorzunehmen.
Dazu gehört zunächst ein äußerst zurückhaltender Umgang mit unseren Freiflächen.
Im Klartext heißt dies:
- keine Bebauung an der Stadtgrenze zu Langenfeld, ein Verzicht auf umstrittene Bauprojekte im Hildener Südwesten, kein neues Gewerbegebiet an der A 46, etc. etc..!
- Auch sollte es in Zukunft in unserer Stadt keine kahlen oder spärlich begrünten Straßen und Plätze mehr geben. Wir brauchen mehr Bäume, mehr insektenfreundliche Wiesen, mehr kleine Parks und insgesamt mehr Grün in Hilden. Bei städtebaulichen Projekten – auch der jüngeren Vergangenheit – bei denen Klimawandel und Hitzesommer noch keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten, sollte schleunigst nachgebessert werden – das gilt auch für unsere Fußgängerzone und den Stadtpark.
- Dach- und Fassadenbegrünungen können in den Sommermonaten zu einem erträglichen Stadtklima beitragen – entsprechende Festsetzungen sollten daher in neuen B‑Plänen nicht nur projektbezogen sondern die Regel sein.
- Zusätzlich sollte ein entsprechendes Förderprogramm die notwendigen Anreize für Begrünungen im Gebäudebestand schaffen. Langenfeld ist uns da – leider wieder einmal – einen Schritt voraus!
- Und natürlich ist der Rad‑, Fuß- und öffentliche Nahverkehr konsequent zu fördern. Verkehrsflächen müssen dafür nicht vergrößert, sondern nur gerechter aufgeteilt werden. Fahrradstraßen sind hier ein wichtiger Baustein, weil sie in Teilbereichen eine Abkehr von der Bevorzugung des PKW-Verkehrs bedeuten.
- Die Beauftragung eines Mobilitätskonzepts ist ein weiterer richtiger und wichtiger Schritt, der aber auch Mut und Bereitschaft für mitunter unpopuläre Maßnahmen voraussetzt. Denn ein zeitgemäßes Mobilitätskonzept wird in vielerlei Hinsicht verkehrspolitische Selbstverständlichkeiten in Frage stellen.
Mit Gegenwind ist zu rechnen, wenn es gilt sich von liebgewonnenen Privilegien und Gewohnheiten des Autozeitalters zu trennen. Aber ein „Weiter so“ in der Verkehrspolitik wäre in Zeiten des Klimawandels nicht vertretbar und letztendlich die weitaus schmerzlichere Alternative. Hier muss auch in der Bevölkerung noch einige Überzeugungsarbeit geleistet werden und das gelingt am besten, wenn die Fraktionen an einem Strang ziehen. Das zeigen ausgewiesene Fahrradstädte.
Wie gesagt, einige richtige Weichenstellungen wurden von Rat und Verwaltung in den vergangenen Monaten getroffen.
Trotzdem stellt sich für uns Grüne die Frage „Warum erst jetzt? – Waren die Herausforderungen des Klimawandels nicht schon lange bekannt? “ und „Müssen selbst politisch Verantwortliche ihn erst am eigenen Leib spüren – Stichwort heiße Sommer – bevor sie handeln?“
Den Klimamanager, die Klimamanagerin hatten wir Grüne bereits 2015 beantragt, ein Klimaanpassungskonzept in 2017, ein Mobilitätskonzept zum Haushalt 2018, etc., etc. – unsere Vorstöße waren seinerzeit Zeit allesamt erfolglos und beim Förderprogramm zur Dach- und Fassadenbegrünung ist es leider bis heute so geblieben!
Insgesamt – so unserer Eindruck – ist nur 5 Monate nach Ausrufung des Klimanotstandes der Einsatz für Klimaschutz und Klimaanpassung wieder ins Stocken zu geraten; wohlmöglich im Glauben, man habe bereits genug getan und alles sei nicht so schlimm. Aber der nächste heiße Sommer kommt bestimmt!
Nun zum ersten Doppelhaushalt:
Wir haben ihn nicht gewollt, zumindest nicht im Wahljahr 2020. Denn hier werden finanzpolitische Vorgaben für zwei Jahre festgeschrieben, über die sich der neue Rat mit ggf. neuen politischen Mehrheiten nur schwer hinwegsetzen kann. Nicht zu leugnen ist, dass uns erstmalig wirklich schwierige Zeiten bevorstehen. So schmiltzt unsere Ausgleichrücklage völlig ab, sodass wir uns schon 2021 aus der Allgemeinen Rücklage bedienen müssen. Dies ist zwar noch keine Katastrophe, aber das Schreckgespenst namens „Haushaltssicherungskonzept“ rückt spürbar näher.
Das veranlasste die Bürgermeisterin – aus unserer Sicht überstürzt und ohne Einbindung der Fraktionen – erhebliche Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen im Haushaltsentwurf einzuplanen.
- Sollen, ja können wir wirklich bei Präventionsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche sparen?
- Wollen wir wirklich riskieren, dass wir aufgrund einer schlechteren Finanzierung freier Träger zu einer schnellen und teuren Übernahme von Kindergartengruppen gezwungen sind?
- Wollen wir tatsächlich Standards bei der Offenen Ganztagschule massiv zurückgefahren?
- Wie steht es um die Attraktivität einer Stadt auch in Hinblick auf weiche Standortfaktoren, wenn bei der Kultur kurzerhand ganze Veranstaltungsreihen gestrichen werden?
- Welches Signal senden wir in Richtung ehrenamtliches Engagement im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich aus, wenn die Förderung teilweise vollständig eingestellt wird?
- Und welche Auswirkungen hat ein solches Sparpaket kurz‑, mittel und langfristig nicht nur auf die direkt Betroffenen, sondern auf das gesellschaftliche Klima in der Stadt insgesamt?
Einsparungen, die an die Substanz gehen und deren Folgen nur bedingt abschätzbar sind, sollten nicht innerhalb weniger Wochen übers Knie gebrochen werden. Die Entscheidung des Rates, die Einsparvorschläge der Verwaltung zu stoppen, ist daher richtig. Trotz des finanziellen Drucks müssen wir uns die Zeit nehmen, um sorgfältig über Einsparpotentiale gerade auch außerhalb der freiwilligen Leistungen sowie über mögliche Einnahmeverbesserungen nachzudenken. Und das unter Einbeziehung der jeweils Betroffenen. Von Rat und Verwaltung gut vorbereitete Organisations- und Ablaufuntersuchungen könnten dabei helfen – auf ein zweites, teures Gutachten a la BSL, das rigorose, aber völlig realitätsferne Einschnitte vorschlägt, können wir dagegen verzichten.
Auch schwerpunktmäßig beim Personal zu sparen ist angesichts offensichtlicher personeller Engpässe in der Verwaltung wenig zielführend.
Im Gegenteil: die Stadt Hilden muss als Arbeitergeberin einfach attraktiver werden. Und hinsichtlich der vielen teureren Vergaben stellt sich die Frage, ob einige Aufgaben nicht besser und günstiger von zusätzlichen städt. Mitarbeiter*innen übernommen werden sollten.
Eine Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung hätte der Rat schon jetzt ergreifen können: die Anpassung der Gewerbesteuer an den fiktiven Hebesatz des Landes. Die damit verbundene Einnahmeverbesserung von jährlich rund 2.0 Mio. € entspräche in etwa dem Einsparvorschlag der Kämmerin. Die moderate Erhöhung der Gewerbesteuer können wir der örtlichen Wirtschaft durchaus zumuten und auch nachvollziehbar erklären. Denn auch sie sollte an einer attraktiven, lebendigen Stadt mit einer guten Infrastruktur und vielen Angeboten gerade auch im Kinder‑, Jugend‑, Sport- und Kulturbereich interessiert sein. Denn das ist ein klarer Standortvorteil und zählt nicht wenig in Zeiten akuten Fachkräftemangels!
Unabhängig davon befürworten wir natürlich entlastende Reglungen für Betriebe, die von der Coronavirus-Pandemie im besonderen Maße betroffen sind. Hier ist aber zunächst die Bundesregierung gefordert.
Und nun, wie geht‘s weiter?
Sollte der Rat der Versuchung erlegen, sich der Verantwortung zu entziehen und das Thema Haushaltskonsolidierung allein der Verwaltung zu überlassen, wäre das ein echtes Armutszeugnis.
Wir fordern deshalb die Bildung einer gemeinsamen Kommission aus Rat und Verwaltung, die sich um konstruktive Wege aus der Krise bemüht.
Solche Anstrengungen erwarten die Hildenerinnen und Hildener von uns, dafür wurden wir gewählt!
Ich komme zum Schluss. Die Corona-Pandemie wird nicht ohne Folgen für den städtischen Haushalt bleiben. Einerseits müssen wir mit Mindereinnahmen z.B. bei der Gewerbesteuer rechnen. Anderseits gilt es die eine oder andere Härte besonders Betroffener abzumildern – denkbar hierzu ist die von Dr. Claus Pommer vorgeschlagene Schaffung eines entsprechenden Fonds.
Vieles ist in diesen schwierigen Zeiten ungewiss.
Klar ist aber schon jetzt, dass das vorliegende Zahlenwerk nicht von Dauer sein wird.
Nichtsdestotrotz stimmen wir dem Doppelhaushalt 2020/2021 nach Rücknahme der Kürzungen zu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Klaus-Dieter Bartel
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