Rede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Doppelhaushalt 2020/21

Der Fraktionsvorsitzende Klaus-Dieter Bartel nimmt Stellung

Liebe Lese­rin­nen und Leser,

die Coro­na­vi­rus-Pande­mie hält uns in Atem, verschiebt Prio­ri­tä­ten und lässt uns hinsicht­lich  der Folgen im Unge­wis­sen. Auch wenn der Virus derzeit alles ande­re über­schat­tet, möch­te ich dennoch die Themen anspre­chen, die uns in den letz­ten Wochen und Mona­ten beschäftigten.
So wurde in Hilden am 30. Okober der Klima­not­stand ausge­ru­fen. Damit gehört Hilden zu den zahl­rei­chen Städ­ten in Deutsch­land und in der Welt, die dem Kampf gegen den Klima­wan­del erklär­ter­ma­ßen obers­te Prio­ri­tät einräu­men. Damit verbun­den ist noch kein Programm, noch kein Maßnah­men­ka­ta­log, jedoch ein Verspre­chen, eine Selbst­ver­pflich­tung. Das es so weit kam, hat haupt­säch­lich mit 2 nach­ein­an­der folgen­den Extrem­som­mern und den öffent­lich­keits­wirk­sa­men Demons­tra­tio­nen der „Fridays for Future“ zu tun. Die Jugend­li­chen schu­fen nicht nur bei vielen Eltern und Groß­el­tern ein längst über­fäl­li­ges Bewusst­sein für die exis­ten­zi­el­le Bedro­hung durch den Klima­wan­del. Was aber folgt aus dem Ausru­fen des Klimanotstands?

Zunächst muss für uns unum­stöß­lich klar sein, dass der Klima­wan­del mit all seinen Konse­quen­zen Fakt ist und auch ein durch­reg­ne­ter Herbst oder kalter Winter daran nichts ändert. Eben­falls muss klar sein, dass Versäum­nis­se beim Klima­schutz, bei der Klima­an­pas­sung unse­re Lebens­qua­li­tät, aber beson­ders die unse­rer Nach­kom­men nach­hal­tig beeinträchtigen.

Wenn das alles klar ist, dürfen wich­ti­ge Maßnah­men nicht unter­blei­ben, weil sie einen deut­li­chen Kurs­wech­sel erfor­dern, Geld kosten und mit z.T. uner­freu­li­chen Konflik­ten einhergehen.
Die Bereit­schaft, die Heraus­for­de­rung durch den Klima­wan­del stär­ker als bisher anzu­neh­men, war in der zwei­ten Jahres­hälf­te 2019 auch in Hilden spür­bar gewachsen.
So erar­bei­te­te die Verwal­tung im Sommer und Herbst eine umfang­rei­che „To-Do Liste“, die zwar hier und da ambi­tio­nier­ter, muti­ger sein könn­te, aber den Eindruck hinter­ließ, dass der Ernst der Lage erkannt wurde. Jetzt ist es an uns, den poli­tisch Verant­wort­li­chen, neben den bereits gefass­ten Beschlüs­sen weite­re Ideen aufzu­grei­fen, über­fäl­li­ge Entschei­dun­gen zu tref­fen und Neube­wer­tun­gen vorzunehmen.

Dazu gehört zunächst ein äußerst zurück­hal­ten­der Umgang mit unse­ren Freiflächen.

Im  Klar­text heißt dies:

  • keine Bebau­ung an der Stadt­gren­ze zu Langen­feld, ein Verzicht auf  umstrit­te­ne Baupro­jek­te im Hilde­ner Südwes­ten, kein neues Gewer­be­ge­biet an der A 46, etc. etc..!
  • Auch soll­te es in Zukunft in unse­rer Stadt keine kahlen oder spär­lich begrün­ten Stra­ßen und Plät­ze  mehr geben. Wir brau­chen mehr Bäume, mehr insek­ten­freund­li­che Wiesen, mehr klei­ne Parks und insge­samt mehr Grün in Hilden. Bei städ­te­bau­li­chen Projek­ten – auch der jünge­ren Vergan­gen­heit – bei denen Klima­wan­del und Hitze­som­mer noch keine oder nur eine unter­ge­ord­ne­te Rolle spiel­ten, soll­te schleu­nigst nach­ge­bes­sert werden – das gilt auch für unse­re Fußgän­ger­zo­ne und den Stadtpark.
  • Dach- und Fassa­den­be­grü­nun­gen können in den Sommer­mo­na­ten zu einem erträg­li­chen Stadt­kli­ma beitra­gen – entspre­chen­de Fest­set­zun­gen soll­ten daher in neuen B‑Plänen nicht nur projekt­be­zo­gen sondern die Regel sein.
  • Zusätz­lich soll­te ein entspre­chen­des Förder­pro­gramm die notwen­di­gen Anrei­ze für Begrü­nun­gen im Gebäu­de­be­stand schaf­fen. Langen­feld ist uns da – leider wieder einmal – einen Schritt voraus!
  • Und natür­lich ist der Rad‑, Fuß- und öffent­li­che Nahver­kehr konse­quent zu fördern.  Verkehrs­flä­chen müssen dafür nicht vergrö­ßert, sondern nur gerech­ter aufge­teilt werden.  Fahr­rad­stra­ßen sind hier ein wich­ti­ger Baustein, weil sie in Teil­be­rei­chen eine Abkehr von der Bevor­zu­gung des PKW-Verkehrs bedeuten.
  • Die Beauf­tra­gung eines Mobi­li­täts­kon­zepts ist ein weite­rer rich­ti­ger und wich­ti­ger Schritt, der aber auch Mut und Bereit­schaft für mitun­ter unpo­pu­lä­re Maßnah­men voraus­setzt. Denn ein zeit­ge­mä­ßes Mobi­li­täts­kon­zept wird in vieler­lei Hinsicht verkehrs­po­li­ti­sche Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten in Frage stellen.

Mit Gegen­wind ist zu rech­nen, wenn es gilt sich von lieb­ge­won­ne­nen Privi­le­gi­en und Gewohn­hei­ten des Auto­zeit­al­ters zu tren­nen. Aber ein „Weiter so“ in der Verkehrs­po­li­tik wäre in Zeiten des Klima­wan­dels nicht vertret­bar und letzt­end­lich die weit­aus schmerz­li­che­re Alter­na­ti­ve. Hier muss auch in der Bevöl­ke­rung noch eini­ge Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet werden und das gelingt am besten, wenn die Frak­tio­nen an einem Strang ziehen. Das zeigen ausge­wie­se­ne Fahrradstädte.
Wie gesagt, eini­ge rich­ti­ge Weichen­stel­lun­gen wurden von Rat und Verwal­tung in den vergan­ge­nen Mona­ten getroffen.

Trotz­dem stellt sich für uns Grüne die Frage „Warum erst jetzt? – Waren die Heraus­for­de­run­gen des Klima­wan­dels nicht schon lange bekannt? “ und „Müssen selbst poli­tisch Verant­wort­li­che ihn erst am eige­nen Leib spüren – Stich­wort heiße Sommer – bevor sie handeln?“

Den Klima­ma­na­ger, die Klima­ma­na­ge­rin hatten wir Grüne bereits 2015 bean­tragt, ein Klima­an­pas­sungs­kon­zept in 2017, ein Mobi­li­täts­kon­zept zum Haus­halt 2018, etc., etc. – unse­re Vorstö­ße waren seiner­zeit Zeit alle­samt erfolg­los und beim Förder­pro­gramm zur Dach- und Fassa­den­be­grü­nung ist es leider bis heute so geblieben!

Insge­samt – so unse­rer Eindruck – ist nur 5 Mona­te nach Ausru­fung des Klima­not­stan­des der Einsatz für Klima­schutz und Klima­an­pas­sung wieder ins Stocken zu gera­ten; wohl­mög­lich im Glau­ben, man habe bereits genug getan und alles sei nicht so schlimm. Aber der nächs­te heiße Sommer kommt bestimmt!

 

Nun zum ersten Doppelhaushalt:

Wir haben ihn nicht gewollt, zumin­dest nicht im Wahl­jahr 2020. Denn hier werden finanz­po­li­ti­sche Vorga­ben für zwei Jahre fest­ge­schrie­ben, über die sich der neue Rat mit ggf. neuen poli­ti­schen Mehr­hei­ten nur schwer hinweg­set­zen kann. Nicht zu leug­nen ist, dass uns erst­ma­lig wirk­lich schwie­ri­ge Zeiten bevor­ste­hen. So schmiltzt unse­re Ausgleich­rück­la­ge völlig ab, sodass wir uns schon 2021 aus der Allge­mei­nen Rück­la­ge bedie­nen müssen. Dies ist zwar noch keine Kata­stro­phe, aber das Schreck­ge­spenst namens „Haus­halts­si­che­rungs­kon­zept“ rückt spür­bar näher.

Das veran­lass­te die Bürger­meis­te­rin – aus unse­rer Sicht über­stürzt und ohne Einbin­dung der Frak­tio­nen – erheb­li­che Einspa­run­gen bei den frei­wil­li­gen Leis­tun­gen im Haus­halts­ent­wurf einzuplanen.

  • Sollen, ja können wir wirk­lich bei Präven­ti­ons­maß­nah­men für Kinder und Jugend­li­che sparen?
  • Wollen wir wirk­lich riskie­ren, dass wir aufgrund einer schlech­te­ren Finan­zie­rung frei­er Träger zu einer schnel­len und teuren Über­nah­me von Kinder­gar­ten­grup­pen gezwun­gen sind?
  • Wollen wir tatsäch­lich Stan­dards bei der Offe­nen Ganz­tag­schu­le massiv zurückgefahren?
  • Wie steht es um die Attrak­ti­vi­tät einer Stadt auch in Hinblick auf weiche Stand­ort­fak­to­ren, wenn bei der Kultur kurzer­hand ganze Veran­stal­tungs­rei­hen gestri­chen werden?
  • Welches Signal senden wir in Rich­tung ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment im sozia­len, ökolo­gi­schen und kultu­rel­len Bereich aus, wenn die Förde­rung teil­wei­se voll­stän­dig einge­stellt wird?
  • Und welche Auswir­kun­gen hat ein solches Spar­pa­ket kurz‑, mittel und lang­fris­tig nicht nur auf die direkt Betrof­fe­nen, sondern auf das gesell­schaft­li­che Klima in der Stadt insgesamt?

Einspa­run­gen, die an die Substanz gehen und deren Folgen nur bedingt abschätz­bar sind, soll­ten nicht inner­halb weni­ger Wochen übers Knie gebro­chen werden. Die Entschei­dung des Rates, die Einspar­vor­schlä­ge der Verwal­tung zu stop­pen, ist daher rich­tig. Trotz des finan­zi­el­len Drucks müssen wir uns die Zeit nehmen, um sorg­fäl­tig über Einspar­po­ten­tia­le gera­de auch außer­halb der frei­wil­li­gen Leis­tun­gen sowie über mögli­che Einnah­me­ver­bes­se­run­gen nach­zu­den­ken. Und das unter Einbe­zie­hung der jeweils Betrof­fe­nen. Von Rat und Verwal­tung gut vorbe­rei­te­te Orga­ni­sa­ti­ons- und Ablauf­un­ter­su­chun­gen könn­ten dabei helfen – auf ein zwei­tes, teures Gutach­ten a la BSL, das rigo­ro­se, aber völlig reali­täts­fer­ne Einschnit­te vorschlägt, können wir dage­gen verzichten.

Auch schwer­punkt­mä­ßig beim Perso­nal zu sparen ist ange­sichts offen­sicht­li­cher perso­nel­ler Engpäs­se in der Verwal­tung wenig zielführend.

Im Gegen­teil: die Stadt Hilden muss als Arbei­ter­ge­be­rin einfach attrak­ti­ver werden. Und hinsicht­lich der vielen teure­ren Verga­ben stellt sich die Frage, ob eini­ge Aufga­ben nicht besser und güns­ti­ger von zusätz­li­chen städt. Mitarbeiter*innen über­nom­men werden sollten.

Eine Maßnah­me zur Haus­halts­kon­so­li­die­rung hätte der Rat schon jetzt ergrei­fen können: die Anpas­sung der Gewer­be­steu­er an den fikti­ven Hebe­satz des Landes. Die damit verbun­de­ne Einnah­me­ver­bes­se­rung von jähr­lich rund 2.0 Mio. € entsprä­che in etwa dem Einspar­vor­schlag der Kämme­rin. Die mode­ra­te Erhö­hung der Gewer­be­steu­er können wir der örtli­chen Wirt­schaft durch­aus zumu­ten und auch nach­voll­zieh­bar erklä­ren. Denn auch sie soll­te an einer attrak­ti­ven, leben­di­gen Stadt mit einer guten Infra­struk­tur und vielen Ange­bo­ten gera­de auch im Kinder‑, Jugend‑, Sport- und Kultur­be­reich inter­es­siert sein. Denn das ist ein klarer Stand­ort­vor­teil und zählt nicht wenig in Zeiten akuten Fachkräftemangels!

Unab­hän­gig davon befür­wor­ten wir natür­lich entlas­ten­de Reglun­gen für Betrie­be, die von der Coro­na­vi­rus-Pande­mie im beson­de­ren Maße betrof­fen sind. Hier ist aber zunächst die Bundes­re­gie­rung gefordert.

Und nun, wie geht‘s weiter?

Soll­te der Rat der Versu­chung erle­gen, sich der Verant­wor­tung zu entzie­hen und das Thema Haus­halts­kon­so­li­die­rung allein der Verwal­tung zu über­las­sen, wäre das ein echtes Armutszeugnis.
Wir fordern deshalb die Bildung einer gemein­sa­men Kommis­si­on aus Rat und Verwal­tung, die sich um konstruk­ti­ve Wege aus der Krise bemüht.

Solche Anstren­gun­gen erwar­ten die Hilde­ne­rin­nen und Hilde­ner von uns, dafür wurden wir gewählt!

Ich komme zum Schluss. Die Coro­na-Pande­mie wird nicht ohne Folgen für den städ­ti­schen Haus­halt blei­ben. Einer­seits müssen wir mit Minder­ein­nah­men z.B. bei der Gewer­be­steu­er rech­nen. Ander­seits gilt es die eine oder ande­re Härte beson­ders Betrof­fe­ner abzu­mil­dern – denk­bar hier­zu ist die von Dr. Claus Pommer vorge­schla­ge­ne Schaf­fung eines entspre­chen­den Fonds.

Vieles ist in diesen schwie­ri­gen Zeiten ungewiss.

Klar ist aber schon jetzt, dass das vorlie­gen­de Zahlen­werk nicht von Dauer sein wird.

Nichts­des­to­trotz stim­men wir dem Doppel­haus­halt 2020/2021 nach Rück­nah­me der Kürzun­gen zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Klaus-Dieter Bartel

 

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